Der Ursprung des Gesamtverbandes der Leinenindustrie geht auf die Anfangszeit der Industrialisierung zurück: in Dresden wurde 1868 der „Deutsche und Oesterreichische Leinen-Industrie-Verein“ ins Leben gerufen, dessen Nachfolger – bald nach Gründung des Deutschen Reiches – 1877 der „Verband deutscher Leinenindustrieller“ wurde.
Das besondere Anliegen war – bis heute – die Interessen der Produktlinie Leinen in einem vertikal gegliederten Industrieverband zusammen zu fassen: Anbau und Gewinnung des vielseitigen Rohstoffes „Flachs“ mit den Hauptverarbeitungsstufen Spinnen, Weben, Ausrüsten und Konfektion zu den verbinden und den Erfahrungsaustausch mit Forschung und Maschinenbau auf diesem Gebiet zu fördern.
Diese Struktur, gegründet auf dem fast einzigen einheimischen Textilrohstoff, spielte eine wichtige Rolle bei der Versorgung von Bevölkerung und Industrie im 1. Weltkrieg und trug wesentliches zur Überwindung der verheerenden Inflation in den 20er Jahren und der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts bei. Von groben technischen Produkten wie Planen und Sackleinen bis hin zu feinsten Damasten und Batisten waren Leinenprodukte als Exportartikel in den Zeiten der Devisenbewirtschaftung von grosser Bedeutung. Auch die Textilbewirtschaftung vor und im 2. Weltkrieg forderte von dem Industrieverband ausserordentliche Beiträge.
Nach dem Zusammenbruch 1945 und dem Verlust fast der Hälfte der Kapazitäten in den Ostgebieten organisierten sich Leinenfachverbände zunächst in den drei westlichen Besatzungszonen neu; der „Gesamtverband der Leinenindustrie“ konnte schließlich 1948 im gesamten Wirtschaftsraum seine Arbeit wieder aufnehmen. Die vergleichsweise faire Behandlung der nationalen Leinensektoren der im Krieg besetzten Länder erlaubte nun eine rasche Wiederaufnahme der Arbeit in bewährten Strukturen. Koreakrise und Wirtschaftswunder führten zu einem höchst wechselhaften wirtschaftlichen Umfeld, durch das der Verband seine Mitglieder begleitete. Der Eintritt in den internationalen Verband „Confederation Internationale du Lin et du Chanvre“ im Jahr 1950 stand für eine Interessenvertretung auch auf internationaler Ebene. Der massive und schmerzhafte Strukturwandel in der deutschen Textilindustrie, wie ihn die letzten vierzig Jahre mit sich brachten, hat vor dem „Gesamtverband Leinen“ nicht halt gemacht und mit den Jahren eine Reihe von wichtigen Mitgliedsunternehmen erfasst. Für die verbliebene Leinenindustrie und deren Verband gilt es nun, den typischen nachwachsenden Rohstoff „Flachs“ sowie dessen immense Möglichkeiten neu zu interpretieren. Dies bedeutet eine Neuausrichtung die in ihrer ganzen Bedeutung und all ihren Chancen bei Industrie, Politik und Öffentlichkeit besonders in Aspekten wie „Nachhaltigkeit“, „regionale Wertschöpfungsketten“ oder „Umweltverantwortung“ und „Qualität“ deutlich wird.